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Adolf Eduard Franz Lüderitz (1834 - 1886)

Straßenschild Lüderitzstraße
Foto: Tristan Vankann

Adolf Lüderitz, aufgewachsen als Sohn des Tabakhändlers F. A. E. Lüderitz in Bremen, gilt als Wegbereiter des deutschen Kolonialismus. Nachdem er sich wirtschaftlich erfolglos in Tabakplantagen in den USA und Mexiko engagierte, kehrte er nach Bremen zurück und übernahm 1878 die Tabakfirma seines Vaters - auch dies ohne großen Erfolg. Bald darauf gründete er eine Handelsniederlassung in der Hafenstadt Lagos, Teil der Kolonie "Britisch-Westafrika" (dem heutigen Nigeria). Auch diese erwies sich wieder einmal als nicht wirtschaftlich. Er glaubte aber weiterhin an mögliche Profite auf dem afrikanischen Kontinent. In der Ausbeutung Südwestafrikas (dem heutigen Namibia) sah Lüderitz eine Gelegenheit, da diese Region noch von keiner anderen Kolonialmacht beansprucht wurde. So plante er, dort mit Alkohol und Waffen zu handeln und spekulierte auf Bodenschätze wie Gold, Diamanten und Kupfer.

Mit Unterstützung des jungen Bremer Kaufmanns Heinrich Vogelsang entwarf er Pläne für die Errichtung einer deutschen Kolonie in Südwestafrika zu einer Zeit, als die Forderungen in Deutschland nach Kolonien immer größer wurden, das Reich aber noch keine sogenannten "Schutzgebiete" errichtet hatte. Ende 1882 kontaktierte Lüderitz das Auswärtige Amt in Berlin und bat provisorisch um Schutz für eine Handelsniederlassung an der Walfischbucht - allerdings ohne Erfolg. Zur gleichen Zeit entsandte er seinen Assistenten Vogelsang um Niederlassungsmöglichkeiten in Südwestafrika zu erkunden. Und so erwarb dieser schließlich 1883 in Lüderitz‘ Auftrag das Gebiet von Angra Pequena (der späteren "Lüderitzbucht"): Zum Preis von 100 Britischen Pfund und 200 alten Gewehren wurde das Land im Umkreis von fünf Meilen um die Bucht dem Nama-Kaptein Joseph Fredericks abgekauft. Dabei war allerdings Betrug im Spiel: Fredericks ging von den damals gebräuchlichen englischen Meilen (1,6 Kilometer aus), während Lüderitz die geografischen "deutschen Meilen" (7,4 Kilometer) zugrunde legte, ohne dass dies im Vertrag erwähnt wurde. Somit verlor Fredericks durch den bald unter dem Namen "Meilenschwindel" bekanntgewordenen Betrug einen Großteil seines Stammesgebietes. Die Region wurde von nun an "Lüderitzland" genannt, der Landungsort erhielt den Namen "Lüderitz" und die Küste wurde "Lüderitzbucht" getauft. Mit einer Reihe von weiteren betrügerischen Verträgen sicherte sich der gescheiterte Händler den Zugriff auf einen Großteil der Küste des heutigen Namibia und träumte dabei von der Gründung eines profitablen Kolonialreiches, das sich bis zum Indischen Ozean erstrecken sollte. Hierbei ging er ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung vor und zeigte sich als menschenverachtender Kolonialist.

Schließlich wurde der erschwindelte private Landbesitz 1884 von Reichskanzler Otto von Bismarck als erste koloniale Landnahme "unter Schutz" gestellt, damit private Handelsgesellschaften dort ihren Interessen folgend die Kolonisierung vorantreiben konnten. Bismarck hatte sich inzwischen dem politischen Leitsatz "Die Flagge folgt dem Handel" verschrieben. In der Folge gründeten deutsche Bankiers und Industrielle 1885 in Lüderitz die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika und kauften den Großteil des von Lüderitz angeeigneten Landes bereits 1885 auf, denn der Großkaufmann hatte sich wieder einmal übernommen. Lüderitz selbst ertrank jedoch nur ein Jahr darauf auf einer Erkundungstour im Oranje-Fluss. In der Folge stilisierte die Kolonialbewegung den Bremer bald zum "Kolonialpionier". In mehr als 30 deutschen Städten wurden bis in die Zeit des Nationalsozialismus Straßen nach ihm benannt.

Text: Dr. Hanno Balz, Historiker, in Abstimmung mit der Landeszentrale für politische Bildung und dem Senator für Kultur